Professionelle Amateurschauspieler:innen.
Wer ist das?
Franz Eggstein, Rennfahrer und Theaterregisseur aus Leidenschaft, kommentiert für Theater InCognito in seiner unnachahmlichen Art die Entwicklungen im Theater unserer Zeit.
„Professionelle Amateurschauspieler:innen“ sind an sich ein Paradoxon. Was unterscheidet überhaupt Amateur- von Profischauspieler:innen?
Profischauspieler:innen vs. Amateurschauspieler:innen
„ […] Ein Schauspieler unterscheide sich von einem normalen Menschen dadurch, dass es ihm gelingt, eine Verbindung zwischen seiner Vorstellungskraft und seinem Körper herzustellen“
Peter Brooke
Folgt man Peter Brooke, dann ist das bestimmende Element eines Schauspielers, dass er seinen Körper, – mit Mimik, Gestik, Stimme etc.-, dazu benutzen kann, qua seiner Vorstellungskraft eine artifizielle Bühnenfigur zu erschaffen. Der Körper des Schauspielers ist demnach sein „Werkzeug“, mit dem er diese Bühnenfigur kreiert. Das kann er umso mehr, je besser er gelernt hat es zu gebrauchen. Ein erster Ansatzpunkt, der Profi- von Amateurschauspieler:innen unterscheidet.
Was können professionelle Schauspieler:innen?
Künstler und Künstlerinnen sollten ihr Handwerk möglichst gut beherrschen. Je besser sie ausgebildet sind, desto mehr haben sie die Möglichkeit auf „Werkzeuge“ zurückzugreifen. Im Falle von Schauspieler:innen sind es Techniken, die es ihnen erlaubt, eine glaubhafte Bühnenfigur zu erschaffen.
Zum Ausbildungsumfang einer Schauspielschule gehören zum Beispiel: Sprachausbildung, Textverständnis, Tanz, Akrobatik, Bühnenfechten und manchmal auch Reiten.
Man könnte also sagen, dass diejenigen Profischauspieler:innen sind, die eine Ausbildung auf einer Schauspielschule erfolgreich absolviert haben. Der Rest sind Amateurschauspielerinnen und Amateurschauspieler. So leicht geht es aber nicht, denn insbesondere im Film gibt es eine Reihe von Schauspieler:innen, die keine Schauspielausbildung haben. Deshalb wäre ein zweites Kriterium für Profis, dass sie mit der Schauspielerei genug Geld verdienen, um davon leben zu können. Allerdings findet man in den Stadt- und Staatstheatern Deutschlands so gut wie keine Schauspielerinnen und Schauspieler ohne professionelle Ausbildung. Der Film ist ein anderes Genre und dort kann man als Amateurschauspieler:in weitaus größeren Erfolg haben. Zu bedenken ist allerdings auch, dass arbeitslose Schauspieler:innen mit einer professionellen Ausbildung durch dieses Raster fallen.
Vorstellungskraft und Körper – Eine unverzichtbare Verbindung
Die äußere Rolle
Peter Brooke spricht explizit nicht von Profis oder Amateuren, nur allgemein von der Kunst des Schauspielers, eine Verbindung zwischen seiner Vorstellungskraft und dem Körper herstellen zu können. Jeder Amateur, der eine hohe schauspielerische Qualität auf die Bühne bringen will, muss diese Verbindung herstellen können, sonst wirkt er ziemlich unglaubwürdig. Da man aber nicht voraussetzen kann, dass ein Amateur eine ähnlich lange und umfassende Ausbildung absolviert hat wie die Profis, sollte sich die Amateurschauspielerin und der Amateurschauspieler zunächst genau anschauen, welche Fähigkeiten sie oder er besitzt, um eine Rolle überzeugend auf der Bühne darstellen zu können.
„Wer einen akrobatischen „Puck“ spielen soll, aber zwei linke Beine hat, wird nichts Glaubhaftes zustande bringen. Wer hingegen von Kindesbeinen an geturnt hat, wird einen akrobatischen Puck ohne weiteres meistern können.“
Die innere Rolle
Gleiches gilt für innere Rollen. Um sie zu spielen, braucht es die Bereitschaft, seine Gefühle „wahrhaftig“ der Rolle verleihen zu wollen. Gefühle kann man nicht spielen, man muss der jeweiligen Rolle seine eigenen Gefühle geben. Diese Emotionen der Bühnenfigur glaubhaft darzustellen, gelingt auch begabten Amateurschauspieler:innen. Der einzige Unterschied zu Profis besteht darin, dass diese in der Regel über entsprechende Techniken verfügen, die es ihnen ermöglichen, die einmal erzeugten Gefühle gleichsam wie in einem Modul zu speichern und sie bei Bedarf wieder abzurufen. (siehe auch: Method Acting ) Amateurschauspieler:innen haben in der Regel keine Methoden für die „Speicherung“ der Gefühle erlernt und müssen einen wesentlich höheren Aufwand betreiben, um immer wieder „wahre Gefühle“ zu erzeugen. Das geht für eine begrenzte Zeit und für eine begrenzte Zahl von Aufführungen, aber nicht, wenn man 20 oder mehr Vorstellungen hat.
Der wesentliche Unterschied
Worin liegen nun die Unterschiede zwischen Profi- und Amateurschauspieler:innen? Ein wesentlicher Unterschied ist, dass der Profi Techniken gelernt hat, die es ihm erleichtern, in andere Rollen zu schlüpfen. Ergo müsste die Amateurschauspielerin und der Amateurschauspieler, um annähernd auf professionelles Niveau zu kommen, sich möglichst viele Schauspiel-Techniken aneignen. Im Sprechtheater wären das vor allem: Sprachtraining, eine allgemeine körperliche Fitness, aber auch Fähigkeiten wie Akrobatik, Tanz, Pantomime oder Jonglieren.
Workshops können helfen, die eigenen Fähigkeiten und Neigungen zu entdecken. Aber um in einer der oben angeführten Disziplinen richtig gut zu werden, brauchen Amateurschauspieler:innen ein diszipliniertes Training.
Und genau das ist der springende Punkt. Amateurschauspieler:innen haben einen Beruf, sind in der Ausbildung, gehen zur Schule oder studieren und betreiben Theater als Hobby nebenbei. In aller Regel haben sie nicht die Zeit, um sich mit so vielen diversen Techniken zu beschäftigen, wie das Profischauspieler:innen tun können. Amateure sollten sich deshalb auf ein oder zwei beschränken und zwar auf die, die ihnen am besten zusagen.
Der „Professionelle Amateurschauspieler“ – Eine Definition
- Amateurschauspieler:innen haben als Grundbedingung eine große schauspielerische Begabung. Diese Grundbedingung ist absolut notwendig, sonst sind alle nachfolgenden Punkte irrelevant
- Amateure müssen für sich die Spielformen finden, die am ehesten ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechen. Sind sie mehr Komödianten oder passen sie besser zur Tragödie? Neigen sie mehr zu inneren Rollen oder eher zu „technischen“, wie sie beispielsweise fast ausschließlich beim Boulevard vorkommen?
- Welche Theatertechniken interessieren einen besonders stark? Welche ist diejenige, die man am liebsten perfektionieren möchte? Sprache, Akrobatik, Tanz, Methoden um Gefühle „energiesparend“ speichern und abrufen zu können, etc.?
- Wenn man das für sich herausgefunden hat, sollte man sich Möglichkeiten suchen, die Techniken, die einem besonders liegen, zu vertiefen
- Besser ist es, sich auf ein oder zwei Dinge zu konzentrieren und diese richtig zu machen, als an allen möglichen Techniken herumzuprobieren und am Ende, frei nach Machiavelli, „nur halbe Grausamkeiten und halbe Wahrheiten“ auf der Bühne zu erzeugen
Fazit
Jede Amateurschauspielerin und jeder Amateurschauspieler wird ohne Arbeit an seinem „Werkzeug“, also seinem Körper, über ein bestimmtes Niveau nicht hinauskommen. Wenn Amateurschauspieler:innen das aber in einem vernünftigen Verhältnis zu ihren sonstigen Tätigkeiten und Bedürfnissen machen und Lust haben, sich theatralisch weiterzuentwickeln, und ein Gespür dafür haben, welche Rollen und Spielformen ihnen liegen, können sie durchaus auf dem Niveau professioneller Schauspieler:innen agieren.
Eine Antwort zu “Eggstein´s Kommentar”
Ich würde gern Teil nehmen und bin 15jahre alt.