Das Drehtagebuch über einen Kurzfilm in Grasberg.
Ich begleitete für Theater InCognito die Dreharbeiten zum Kurzfilm „Wellenbruch“ der Filmproduktion „Das Stattliche Baumhaus“. Die Produktion wurde 2015 von Marius Roskamp und Till Rahm in Bremen gegründet. Augenzwinkernd bezeichnen sie sich selbst als das einflussreichste Filmkollektiv im Bereich von Bremen Horn bis Bremen Neustadt. „Wellenbruch“ ist das zweite Filmprojekt nach ihrem ersten Kurzfilm „Nähe“ aus dem Jahr 2015.
Alle Wege führen nach Grasberg
Das Abenteuer begann an einem kalten Samstagmittag im November 2017. Ich war auf dem Weg nach Grasberg, einer kleinen Gemeinde etwa 20 Kilometer nordöstlich von Bremen. Weshalb? Weil ich die Dreharbeiten zum Kurzfilm „Wellenbruch“ dokumentieren wollte. Obwohl ich als Pendler lange Strecken gewohnt bin, fühlte sich die Fahrt wie eine Reise bis ans Ende der Welt an. Zugegeben, dass ist womöglich ein wenig übertrieben. Außerdem konnte ich die 40-minütige Busfahrt durch Lilienthal und die Vororte Bremens nutzen, um mir Gedanken über meine Dokumentation zu machen. Ich fragte mich, was mich während der Dreharbeiten erwarten und wie das Team auf mich reagieren würde.
Doch bevor ich mich selbst in Panik versetzen konnte, hatte ich mein Ziel auch schon erreicht: Eine Kreuzung in Grasberg. Von hier fehlten nur noch wenige Meter bis zum Drehort, einem alten Haus, das einst das Gesindehaus eines Gutshofes war. Obgleich das Gebäude wie ausgestorben wirkte, wurde ich bereits erwartet. Eine Leiche öffnete mir die Tür. Zumindest sah Marius aus, als sei er erst vor wenigen Minuten aus den Grab auferstanden. Dafür ein großes Kompliment an die Maskenbildnerin Fran. Nachdem ich mich von meinem Mantel befreit hatte, wurde ich in den Raum geführt, in dem das Grauen seinen Anfang nahm. Dort traf ich zum ersten Mal auf die komplette Crew. Diese bestand aus Regisseur Till, Kameramann Linus und Beleuchter Rainer, die gerade eine alptraumhafte Szene mit Laure drehten.
Ein Ort des Schreckens
Der kleine Raum wäre für jeden Gruselfilm perfekt gewesen. Die Tür kratzte geräuschvoll am Fußboden, dass Licht war schummrig und die Luft stickig. Abgesehen von einigen Umzugskartons, einer Luftmatratze, dem Equipment und einem PC war nichts weiter vorhanden. Nachdem ich das Zimmer betrat, begrüßte mich Laure in ihrem schwarzen Rollkragenpullover und hielt eine Flasche Rotwein in der Hand. Jedoch beschwerte sie sich später deutlich über dessen Qualität. Wer bietet einer Französin auch billigen Fusel vom Discounter an?
Immerhin spielte der Alkohol nur eine untergeordnete Rolle, weshalb dieses Defizit verschmerzbar war. Ich beobachtete die Dreharbeiten und mir wurde schlagartig klar, wieso Marius so Tod aussah. Denn die Handlung spielte mit Traum und Wirklichkeit. Während sich Marius wie ein Zombie aus einem liebgewordenen Horrorfilm bewegte, lag Laure regungslos am Boden. Dann wurde es eklig. Jedenfalls sorgte ein Gemisch aus Wasser und Zucker für einen fiesen Spezialeffekt, der sich am besten als schleimig und bedrohlich umschreiben lässt.
Überdies hatten sich meine anfänglichen Sorgen in Luft aufgelöst. Die Atmosphäre am Set war sehr entspannt und ausgelassen. Daher hatte ich überhaupt keine Probleme, ausreichend Material für meinen Bericht zu sammeln.
Frieren auf dem Acker
Am Sonntagvormittag standen die Außenaufnahmen auf dem Drehplan. Und während ich vor einem Graben stand wurde mir wieder vor Augen geführt, dass die Dreharbeiten im Nirgendwo stattfanden. Ich blickte auf einen weißen Kleintransporter, der später zum Einsatz kommen sollte. Dieses Mal stand Laure vor keiner leichten Aufgabe, denn sie musste bei bitterer Kälte im roten Kleid über einen Acker tänzeln. Für einen Außenstehenden mochte die Szenerie seltsam anmuten, weil wir anderen ihr in dicker Winterbekleidung dabei zuguckten. Dafür halfen Rainer und Fran als persönliche Assistenten aus und reichten ihr in den Drehpausen Kaffee und Mantel. Nichtsdestotrotz war Laure sofort anzusehen, wie sehr sie fror. Immerhin: Weiße Schminke war dieses Mal kaum nötig. Außerdem war die Szene relativ schnell im Kasten, sodass wir zügig zur nächsten Location weiterziehen konnten.
Nachdem wir uns kurz mit Heißgetränken aufgewärmt hatten, setzten wir die Dreharbeiten auf einem Parkplatz fort. Weil sich dieser neben der viel befahrenen Landstraße befand, mussten wir die Arbeiten öfters unterbrechen. Endlich hatte auch der Kleintransporter seinen großen Auftritt. Hierzu spielte Laure im wahrsten Sinne des Wortes die Fahrerin. Weil wir anderen in dieser Szene wenig zu tun hatten, standen wir am Wegesrand und sinnierten über das Leben. Wir dachten darüber nach, was wir mit dem angebrochenen Nachmittag machen könnten. Außerdem fragten wir uns, was das Pärchen, das gerade auf den Parkplatz gefahren war, hinter dem Müllcontainer trieb.
Da die letzte Frage eine Menge Raum für Spekulationen bot, verging die Zeit wie im Flug. Bereits nach zwei Stunden waren alle Szenen im Kasten. Mit der Straßenbahn brachen wir Richtung Bremen auf und ließen während der Fahrt das Wochenende Revue passieren. Wo uns wohl die Dreharbeiten zum Kurzfilm noch hinführen würden?
10 Antworten zu “Wie entsteht ein Kurzfilm? (1) Dreharbeiten im Nirgendwo.”
Gott! Es fängt wue eine Blairwitch project Horror-Geschichte an!
Seltsame Orte, nie-von-einem-menschlichen-Ohr-gehörte Namen wie Lilienthal; Krass-Berg…
Ich bin so gespannt auf das, was danach kommt!
klar XD das ist mit leichten änderungen aus dem wiki artikel zu staatliches bauhaus kopiert und nicht ernst gemeint
Gott sei dank!
Bei euch seltsames Volk taucht Humor immer so unerwartet auf, dass man ihn nicht mehr erkennt.
Beschwerte! Ich!?
Französin!? Ich?!
„Schleimig bedrohliche Zärtlichkeit“/“Meine anfänglichen Sorgen hatten sich zu diesem Zeitpunkt schon längst in Luft aufgelöst“
……..
Oh danke für den Kaffee ❤
IM DREHBUCH STAND SCHWEIß!
@Laure: ist das der komplette whatsapp verlauf von gestern in kommentarform? XD