Die Heilige Johanna der Schlachthöfe

Büchsenfleisch! Kauft Büchsenfleisch! Frisches, saftiges Büchsenfleisch!“

Mit „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ inszenierte TIC im Sommer 2014 eines der bekanntesten Stücke Bertolt Brechts. Dafür studierten die Darsteller:innen über zwei Semester die Lebensbedingungen des kapitalistischen Chicagos während der 20er Jahre. Entsprechend gut war die Performance der Hauptdarsteller:innen Niccolo von Blanckenburg, Inken Janßen und Marica Tomiak.

Szene aus einer Aufführung von "Die Heilige Johanna der Schlachthöfe". Marica Tomiak als Slift im Gespräch mit Niccolo von Blanckenburg, der den Fleischkönig Mauler spielt. Im Hintergrund sitzt Fleischfabrikant Meyers, lächelnd und Zigarre rauchend. Er wird gespielt von Moritz Jerzembeck.

Zudem kreierten sie ihre Rollen anhand der gesellschaftlichen Positionen, die in „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ dargestellt werden. Hierzu entwarfen die Studentinnen und Studenten gemeinsam mit den Regisseuren Franz Eggstein und Roland Klahr Biografien. Dabei stand ihnen einiges an Material zur Verfügung, unter anderem Wirtschaftsmodelle der USA und des amerikanischen Fleischhandel zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Denn Brecht schrieb „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ 1932 vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise. Hierzu verwandte er Schillers „Jungfrau von Orléans“ als Kontrast und Reibungsfläche und ließ seine Erfahrung mit Marx „Kapital“ einfließen.

Gedanken zur Inszenierung von „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“

Laut Franz Eggstein hat der Warencharakter menschlicher Interaktionen in der kapitalistischen Gesellschaft ein noch
noch nie Dagewesenes Ausmaß erreicht. Weil menschliche Beziehungen, – und nicht nur geschäftliche – auf realen und virtuellen Marktplätzen verhandelt werden. Somit sind Nischen, in die Menschen abtauchen könnten um herauszufinden, was ein selbst bestimmtes Leben überhaupt ist, rar gesät. Hierdurch verliert die Privatsphäre zunehmend ihren intimen Charakter.

„[…] das Zeitalter der Privatheit ist vorbei“

Mark Zuckerberg

Zweitens spielte die Auseinandersetzung mit „Fleisch“ eine wesentliche Rolle bei der Inszenierung des Stückes. Schließlich spiegelt das blutige Gewerbe den brutalen Charakter der kapitalistischen Wirtschaftsweise in „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ wider. Und im übertragenen Sinn werden nicht nur Ochsen und Schweine zu Fleischprodukten verarbeitet. Auch das Fleisch der Menschen wird direkt und indirekt auf den Markt geworfen.

Drittens wurde das Gesellschaftssystem in „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ in den Vordergrund gestellt. Weil Johanna Pierpont Mauler und den anderen Packherren die „Armut der Armen“ zeigt, bezieht sie damit eine andere Position als Mauler und nennt dies als deren Schlechtigkeit. Schließlich folgt Johanna ihrer Vision, dass sich die Menschen von alleine ändern würden, wenn nur die Verhältnisse in denen sie leben besser wären.

Denn die Ausrichtung des Lebens folgt mehr oder weniger materiellen Gesichtspunkten. Folglich floss dieser Punkt in „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ mit ein. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage, wie lange die Freude an Luxusgütern anhält. Wenn man es sich leisten kann, diese Dinge beiläufig aus der Portokasse zu bezahlen, ist der Spaß schnell verflogen. Aber Dinge und Menschen gegen die innere Leere kann man letztendlich nicht kaufen.

Fotogalerie

In „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ gab die Musik den Ton an

Einen wesentlicher Beitrag zum aufwendigen Charakter von „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ leistete der Chor unter der Leitung von Johannes Schürmann. Er wies die Schauspielerinnen und Schauspieler in den Chorgesang ein und begleitete sie bei jeder Aufführung. Durch seine selbstentwickelte Musik hob er dieses Projekt deutlich von vorausgegangenen ab. Für die Bühnenausstattung und die technische Leitung war Lars Grochla verantwortlich, der die Handlung mit multimedialen Effekten unterstützte.

Video von CAMPUS TV Universität Bremen

Darsteller:innen

  • Niccolo von Blanckenburg (Mauler, Fleischkönig)
  • Anna Böker (Mulberry, Hauswirtin; Viehzüchter)
  • Laure Achouline-Cousin (Die Schwarzen Strohhüte)
  • Alexandru Filip (Arbeiterführer; Bursche)
  • Daniel Grimm (Jackson, Leutnant der Schwarzen Strohhüte; Viehzüchter)
  • Jonas Hartung (Detektiv; Soldat; Aufkäufer)
  • Inken Janßen (Johanna Dark, Leutnant der Schwarzen Strohhüte)
  • Moritz Jerzembeck (Meyers, Fleischfabrikant)
  • Franziska Kaun (Graham, Fleischfabrikant)
  • Magali Kueper (Die Schwarzen Strohhüte)
  • Nora Meyer (Die Schwarzen Strohhüte; Arbeiter)
  • Maja Mitruševska (Zeitungsleute)
  • Johanna Pockels (Frau Luckerniddle; Die Armen)
  • Lina Pockels (Die Schwarzen Strohhüte)
  • Andreas Scharfenort (Paulus Snyder, Major der Schwarzen Strohhüte)
  • Sven Ole Schmidt (Cridle, Fleischfabrikant)
  • Jacob Schwalm (Gloomb, ein Arbeiter; Die Armen)
  • Laura Spillner (Zeitungsleute)
  • Doreen Thanheiser (Die Schwarzen Strohhüte; Arbeiter)
  • Inga Tiepermann (Martha, Soldat der Schwarzen Strohhüte; Aufkäufer)
  • Marica Tomiak (Slift, Maklerin)
  • Luke Voutta (Detektiv)
  • Malte Weihnacht (Arbeiterführer; Die Schwarzen Strohhüte)
  • Lennart Wichmann (Detektiv; Arbeiter)
  • Chenghu Zhang (Kellner; Aufkäufer)

Musikalische Leitung

  • Johannes Schürmann

PR

  • Lars Grochla
  • Rebecca Rücker

Textbearbeitung / Dramaturgie

  • Franz Eggstein

Regie

  • Franz Eggstein
  • Roland Klahr