Wellenbruch. Das Interview zum Kurzfilm (2)


Teil 2: Die Arbeit am Film

Ich habe mit Marius Roskamp und Till Rahm, den Initiatoren des Filmkollektiv DAS STATTLICHE BAUMHAUS, ein exklusives Interview geführt. Wir plauderten über das aktuelle Projekt WELLENBRUCH, den Entstehungsprozess eines Kurzfilmes und über die aktuelle Filmlandschaft.

Filme als Inspiration

Zu Beginn eine obligatorische Frage. Wie seid ihr zum Film gekommen?

Marius: Ich würde sagen, wir gehören der typischen Fernsehgeneration an. Wir hatten beide Videorecorder und haben viel Fernsehen konsumiert. Wir sind tatsächlich viel von den großen Hollywoodfilme geprägt worden, insbesondere von Horror- und Actionfilmen. Solche, in denen explizit gezeigt wird, wie Menschen ums Leben kommen.

Welche zum Beispiel?

Marius: „Fortress“ mit Christopher Lambert oder auch „Candyman“. Wir haben die Filme aus dem Fundus von Tills großem Bruder geklaut. „Candyman“ ist für mich eine meiner lebhaftesten Horrorfilm-Erinnerungen überhaupt. Wir waren noch viel zu jung dafür und alleine zu Hause. Nach dem Film waren wir so aufgewühlt, dass sich jeder eine Waffe griff. Till hatte ein Messer und ich eine Art Spitzhacke. Als dann der Pizzabote klingelte, haben wir uns wahnsinnig erschrocken.

Till: Als wir wie Wahnsinnige die Tür aufgerissen haben, hat sich der Pizzabote auch ziemlich erschrocken. Also die Szene hätte wirklich aus einer Scary-Movie Persiflage kommen können.

Das klingt tatsächlich nach sehr lebhafte Erinnerungen. Und wann habt ihr beschlossen, aus diesen Filmerfahrungen eine Kooperation zum Filme machen werden zu lassen?

Till: Unsere aller ersten Versuche unternahmen wir schon zu Schulzeiten. Damals noch analog mit Camcordern, Kassetten und zwei Videorekordern. Die Ambition, etwas größeres zu machen, kam erst später, als der Zugang zur Technik besser wurde. Der Produktionsaufwand ist heute wesentlich geringer als noch vor 15 oder 20 Jahren. Außerdem sind wir jetzt in einem Alter, wo wir nicht mehr irgendeinen Film kopieren, sondern eigene Ideen umsetzten wollen. Mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass es auch ein bisschen größer sein kann.

Wie ist der Name „Stattliches Baumhaus“ dabei ins Spiel gekommen?

Marius: Wie der Gedankengang zu „Stattliches Baumhaus“ genau war, kann ich jetzt nicht mehr sagen. Irgendetwas mit Piraten, mit Kinderabenteuern und Baumhaus.

Till: Ja, aber auch etwas, dass künstlerisch abgehoben klingen sollte.

Marius: Deshalb „Stattliches Baumhaus“ im Sinne von „Staatliches Bauhaus“.

Woher nehmt ihr die Ideen für eure Filme?

Marius: Das kann ganz unterschiedlich sein. Ich hatte wahnsinnige Probleme mit der Entwicklung einer Story. Ich wusste nicht, wieso es den Konflikt in der Geschichte gab. Bis ich irgendwann im Zug „Zombie“ von den Cranberries hörte und dachte: „Ah ja, Zombies“. Wenn ich jetzt anfange über einen Film nachzudenken, dann sind meine ersten Gedanken immer: „Lässt sich das umsetzen?“; „Wie viele Leute brauche ich?“; „Benötige ich spezielle Räumlichkeiten?“. Bei jeder Geschichte geht es zunächst einmal um Umsetzbarkeit. Wenn ich mit einem Skript anfange, dann ist das schon zielgerichtet.

Wie viel persönliches steckt ihr in eure Geschichten?

Marius: Momentan arbeite ich an einer Geschichte, bei der ziemlich viel von mir drinsteckt. „Wellenbruch“ enthält dagegen elementare Dinge. Ich habe beim Schreiben viel an meine vorherige Wohnung gedacht, in der ich mich sehr unwohl fühlte. Die Wohnung und die Erinnerung an den Film „Rosemaries Baby“ haben viel dazu beigetragen. Unser erster Kurzfilm „Nähe“, den wir 2016 gedreht haben, enthält ganz wenig persönliches. Das ist einfach nur eine Geschichte, die wir an den Haaren herbeigezogen haben. Da findet sich wohl keiner von uns wieder, der Film handelt von einem Stalker.

Till: Wir stalken nicht, nein. (lacht)

Sieht so eure Arbeitsteilung aus? Marius schreibt und Till führt Regie?

Till: Marius denkt, ich mache. (beide lachen) Sein Interesse ist einfach wesentlich größer was Schreiben und Ideenfindung betrifft.

Marius: Ich weiß nicht, wie es mit Tills Interesse aussieht, aber sein Können liegt definitiv auf der handwerklichen Seite.

Till: Es macht mir auch Spaß, mir etwas auszudenken, aber das ist nicht mein Steckenpferd. Nein, ich bleibe lieber bei der Realisation der Filme. Etwas, dass ich anfassen kann wie etwa die Kamera oder das Licht. Schreiben war noch nie so meins, auch schon zu Schulzeiten. Deswegen bleibe ich lieber bei der Kamera. Es macht mir Spaß und ich mache es gerne.

Machen wir mal ein kleines Gedankenspiel. Wenn ich mich heute dazu entschließen würde, einen Film machen zu wollen, womit sollte ich mich am meisten auseinandersetzen?

Marius: Publikum. (beide lachen)

Till: Es sei denn du willst einen Film unabhängig davon machen, wer ihn sich ansieht. Weil du es machen möchtest und wissen willst, wie die Abläufe sind. Für mich persönlich ist das Schwierigste der schmale Grat zwischen der Story und der Visualisierung. Generell gibt es viele Filme von denen ich denke, dass man aus der Geschichte mehr hätte machen können.

Marius: Da haben wir jetzt mittlerweile genug gesehen. Wir haben uns eine Weile mit deutschsprachigen Kurzfilmen auseinandergesetzt und uns diverse angeschaut. Es gibt wenige von denen ich sagen würde, da passt alles. „Rosa sieht Schwarz“ gehört zum Beispiel dazu.

Till: Es gibt Dinge, die zu verschmerzen sind, wenn ein Film durch die Erzählweise, durch das Setting oder die Machart überzeugen kann. Dann dürfen auch mal die Schauspieler nicht so toll sein. Bei einigen Profis, die mit Filmen ihr Geld verdienen, sind zwar die Bilder geil, aber dahinter steckt keine Geschichte. Daher sprach ich vom schmalen Grat, du brauchst von beidem etwas.

Marius: So wie unsere Filme, die Mittelmäßigkeit auf jedem Gebiet anstreben. (lacht)

Till: Das hast du aber schön gesagt. Ja, das trifft es eigentlich ganz gut.

Ein Kurzfilm für viel Geld

Ist es ein Ziel von euch, auch einmal mit einen großen Budget arbeiten zu können?

Marius: Nicht unbedingt mit einem großen, aber mit einem reellen Budget. Das wäre schon schön. Das Problem ist aber, dass weder Till noch ich eine Ausbildung im Filmbereich haben. In Deutschland erhält man ein Budget hauptsächlich über Fördermittel, zumindest in dem Rahmen, an den ich so denke. Und da hat man nicht so wahnsinnig viele Möglichkeiten. Entweder du hast eine Ausbildung und die Leute sagen „Ah, der hat Regisseur auf seiner Visitenkarte stehen“ oder du hast vielleicht ein paar Preise gewonnen.

Till: Oder du kennst jemanden, der dir die Tür aufmacht zu Fördermitteln. Oder du hast dir durch deine eigenen Ambitionen einen Namen gemacht.

Marius: Aber das ist alles Spekulation.

Denken wir einmal umgekehrt. In Hollywood sind große Budgets üblich. Haltet ihr es für möglich, dass viel Geld einen Film auch ruinieren kann?

Till: Je nachdem, aus welcher Sicht man das sieht. Aus Sicht des Regisseurs, der auf wirklich alle Ressourcen zurückgreifen kann, sicherlich nicht. Schließlich muss er nicht in der kreativen Trickkiste kramen, sondern kann die Story so umsetzen wie er will. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass auch kleinere Produktionen etwas aus ihrem Geld gemacht haben. Sie mussten sich genau überlegen, worauf sie nicht zurückgreifen konnten und wie sie dies umgehen. Und das sind Gedanken, die du dir nicht alleine machst, sondern das ist eine Teamleistung. Ich denke, dass dadurch der Prozess des Filmemachens wesentlich spannender wird und auch für den Zuschauer etwas interessanteres herauskommen kann als zum Beispiel „Transformers 5“, „Independence Day 2“ oder irgendein anderer Käse.

Marius: Je mehr Geld in der Produktion steckt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Geldgeber auch wollen, das damit etwas gemacht werden muss. Das bedeutet nicht zwingend, dass eine gute Geschichte erzählt wird, sondern nur, dass ein gutes Produkt abgeliefert werden soll. Gute Produkte sind die, die sich verkaufen. Es gibt durchaus gute große Filme, momentan aber eher seltener. Ich finde zweihundert Millionen ist einfach zu viel für einen Film. Ich mag Filme, denen man noch anmerkt, dass sie im Studio gedreht worden sind. So wie zum Beispiel „Zeit der Wölfe“. Film hat sich ja aus dem Theater entwickelt und er könnte ruhig wieder ein bisschen mehr in diese Richtung gehen.

Gibt es denn Filme aus der jüngeren Zeit, die dieser Idee ähneln?

Marius: „Star Dust“ erinnert an anno dazumal, aber ohne dabei altbacken zu wirken. Der Film hat schöne Sets, wo man noch erkennen kann, dass es sich um solche handelt. „Master and Commander“ ist ein Beispiel für die optimale Nutzung eines großen Budgets. Das ist ein toller Abenteuerfilm, der gut aussieht und für mich auf allen Ebenen funktioniert.

Was sind aus eurer Sicht die wichtigsten Zutaten für einen guten Film?

Marius: Ein gutes Team.

Till: Auf alle Fälle. Das Team braucht aber noch eine Motivation, damit es auch Spaß an der Arbeit hat. Sei es eine gute Story oder gute Produktionsbedingungen.

Marius: Klar, dass macht ein gutes Team aus. Menschen, die sich gut miteinander verstehen und Bock auf ein gemeinsames Projekt, auf dieses spezielle Projekt haben.

Vielen Dank für das Interview.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert